Ein Gründungsmythos

Im 15. Jahrhundert zeichnete der bremische Kleriker Heinrich Wolters in einer Bremer und einer Rasteder Chronik auf, was ihm über die Gründung Heiligenbergs erzählt wurde. Söhnke Thalmann, der beste Kenner der beiden Chroniken, untersuchte diese sagenhaften Notizen minutiös und spricht ihnen eigenständigen Quellenwert ab – im Gegenteil: wenn Wolters den sicherlich dem Welfenhaus zu verdankenden Reliquientransfer aus England Erzbischof Gerhard II. zuschreibt, so ist das ein durchsichtiges Bemühen bremischerseits den Anteil der welfischen Gegner zu verschleiern.

Schrieb der mittelalterliche Chronist auf, was er hörte, so ist das um eine neuere Behauptung weitaus schlechter bestellt. Auch wenn sie unablässig wiederholt wird, gibt es für sie nicht einen einzigen Quellennachweis: Danach habe Bischof Otto von Münster (1203–1218) als „Graf von Bruchhausen“ Heiligenberg gegründet.

Abgesehen vom Fehlen einer Quelle, ist die Annahme aus mehreren Gründen abwegig: Schon die Voraussetzung stimmt nicht, denn die Wildeshauser Grafen, denen Otto entstammte, wurden erst 1227/28 mit der Grafschaft Bruchhausen belehnt. Folglich darf Otto nicht als Graf von Bruchhausen bezeichnet werden. Außerdem gehörte er zu den Gegnern des Welfenkaisers, weshalb ein Projekt gemeinsam mit den Wernigeroder und Tecklenburger Welfenanhängern unwahrscheinlich ist. Und schließlich ist bezeugt, dass es des Bischofs letzter Wille war, in Marienfeld, der Gründung seines Vorgängers Hermann, bestattet zu werden.

Es ist chronikalisch bezeugt, dass Bischof Otto am 6. März 1218 auf dem Kreuzzug starb. Somit kann er auch aus zeitlichen Gründen mit der Gründung nichts zu tun gehabt haben. Marienfeld lag in seinem Bistum und nicht wie Heiligenberg in einer fremden, dazu weit entfernten, Diözese.

— Autor: Bernd Ulrich Hucker