Mittelständische Unternehmen, das Handwerk und landwirtschaftliche Betriebe sind das Rückgrat der Wirtschaft im Landkreis Diepholz. Bis in die 1970er Jahre waren der Landkreis und Niedersachsen von einem wirtschaftlichen Nord-Süd-Gefälle geprägt. Der Norden war dominiert von der Landwirtschaft und im Süden konzentrierten sich die größeren Gewerbebetriebe. Die Landesregierung in Hannover bemühte sich durch Förderprogramme um eine gleichmäßigere Wirtschaftsstruktur. Die Ausweisung von Gewerbegebieten galt als Lösung für eine gewinnbringende Wirtschaftsentwicklung. Die Arbeitskräfte in der Region zu halten war ein weiteres Ziel. Die Kommunen bauten die Berufsbildungszentren in Diepholz und Syke aus, so dass mehr spezialisierte Fachkräfte verfügbar waren. Diese Maßnahmen begleiteten intensive Bautätigkeiten zur Verdichtung des Straßennetzes.

1977

Wie hier im November 1977 in Syke eröffneten in den 1970er Jahren in jedem größeren Ort die Discounter. Diese lockten die Kundinnen und Kunden mit mehr Auswahl, größeren Parkplätzen, moderner Architektur und günstigeren Preisen. Das Einkaufsverhalten veränderte sich, so dass viele „Tante-Emma-Läden“ und kleinere Selbstbedienungsläden schließen mussten. Im Konkurrenzkampf um die niedrigsten Preise konnten sie nicht mithalten.

Kreiszeitung, Nr. 254, 01.11.1977, 117. Jg.

Die Gemeinderäte in Groß Mackenstedt, Brinkum, Syke oder Dreye übernahmen seit Ende der 1960er Jahre einen Teil der Erschließungskosten. Die Gemeinden betonten, dass eine moderne Straßenbeleuchtung in einem Gewerbegebiet selbstverständlich sei. Diese Baumaßnahme galt als Ausdruck städtischer Modernität, da zeitgleich viele Dörfer noch nicht über eine flächendeckende Straßenbeleuchtung verfügten. Die Stadt Syke wandelte bis 1976 55 Hektar Ackerland in Gewerbeflächen um. Von diesem Areal war 1980 mehr als die Hälfte belegt, so dass die städtische Wirtschaftsförderung eine Erweiterung plante. Die Gewerbegebiete in Dreye, Stuhr und Brinkum wuchsen besonders schnell. Die Kommunen in Bremer Randlage waren aufgrund ihrer guten Verkehrsanbindung zu den Autobahnen beliebt. Dieser Trend hält sich bis heute. Mittlerweile steht der Verbrauch von Agrarland und die Flächenversiegelung in Anbetracht des Klimawandels in der Kritik.

Für viele Bürgerinnen und Bürger offenbarte sich der wirtschaftliche Wandel an den neuen Einkaufsmöglichkeiten. Seit Anfang der 1960er Jahre gab es im Landkreis Selbstbedienungsläden, welche sich radikal von den Tante-Emma-Läden unterschieden. Diese kleinen Geschäfte waren in die Wohnhäuser der Inhaberfamilien integriert, so dass der Platz beschränkt war. Die Bauweise der Selbstbedienungsläden war hingegen an den Kundenwünschen ausgerichtet.

1978

Der Familienbetrieb Bolte verkaufte seit 1934 in Syke Milch, Käse, Butter und Eier mit dem Pferdewagen. 1969 ging der „hafergetriebene Motor“ namens Liesel in Rente. Mit dem umgebauten Bulli belieferte Fritz Bolte seine Kundinnen und Kunden bis zur Betriebsschließung 1978. Der tägliche Milchumsatz war seit der Eröffnung der neuen Syker Verbrauchermärkte Kafu und Puls 1977 um die Hälfte auf nur 400l pro Tag abgesunken.

Kreiszeitung, Nr. ???, 03.06.1978, 118. Jg.

1982

Die Konkurrenz für die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler vor Ort wuchs durch neue Discounter und Einkaufszentren. Die Werbegemeinschaften bemühten sich seit Anfang der 1980er Jahre auf Gewerbeschauen um Kundenbindung. 1981 veranstalteten die Bassumer Geschäftsleute zeitgleich zum Oktoberfest ihre erste Gewerbeschau in der Jahn-Turnhalle. Gegenwärtig findet alle 3 Jahre die Regionalmesse Aktiba auf der Kartbahn statt.

Kreiszeitung, Nr. 236, 11.10.1982, 122. Jg.

Seit Mitte der 1970er Jahren verdrängten Discounter diese inhabergeführten Selbstbedienungsläden. Die Discounter punkteten bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern mit einer noch größeren Warenauswahl, Niedrigpreisen und ausreichend Parkflächen vor der Geschäftstür. Diesem Preiskampf hielten die kleinen Einzelhändler nicht stand. Denn hinter den neuen Verbrauchermärkten standen kapitalträchtige Einzelhandelsketten. In Bassum wurde 1976 und 1977 in Twistringen das R-Kauf-Center eröffnet, sowie im selben Jahr in Syke der Puls-Supermarkt und Kafu. 1984 zählte der Kreisverband Hoya des Einzelhandels auf dem Gebiet des Landkreises 30 Verbrauchermärkte mit einer Gesamtverkaufsfläche von 78.000qm. Diese Entwicklung setzt sich bis heute fort. Den Markt bestimmen die vier Einzelhandelsketten Edeka (Edeka, Netto), Rewe (Rewe, Penny), die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) und die Aldi-Gruppe. Hinzu kamen die Einkaufszentren, die in den neuen Gewerbegebieten eröffneten: 1972 das Roland-Center in Bremen-Huchting, 1981 Ratio in Brinkum oder 1990 der Weser Park in Bremen/ Mahndorf.

Die Mitglieder der Einzelhandelsverbände und Werbegemeinschaften versuchen in diesem Wettbewerb zu bestehen, der sich gegenwärtig durch den Onlinehandel verschärft. Die Werbegemeinschaften organisieren eine Vielzahl an Aktionen, so 1968 den ersten verkaufsoffenen Sonntag in Syke und Hoya. Frühjahrs-, Herbst- und Weihnachtsmärkte gehören zum Standardrepertoire, genauso wie Stadtfeste und bis 2004 die traditionellen Sonderverkaufsaktionen Sommer-Schluss-Verkauf und Winter-Schluss-Verkauf. Gewerbeschauen gehören heute zum festen Termin in den kommunalen Veranstaltungskalendern. Die erste Gewerbeschau fand 1970 in der damaligen Kreisstadt Syke statt.

1987

1986 eröffneten die Schwestern Dagmar und Ines Kastens ihren Laden „Bio-Vita“ für Naturkost- und Reformwaren an der Bassumer Straße in Brinkum. Die Geschwister Kastens boten ihren Kundinnen und Kunden eine Alternative zur industrialisierten Massenware der Discounter. Vollwertkost hieß die neue Ernährungsform in den 1980er Jahren, wozu auch das berüchtigte Müsli jener Tage gehörte.

Kreiszeitung, Nr. 7, 06.01.1987, 127. Jg.