Wiederaufbau, mehr Konsummöglichkeiten und neugewonnener materieller Wohlstand veränderten die Lebensgewohnheiten der Menschen. Erst mit der Ölpreiskrise in den 1970er Jahre kam der Wirtschaftsmotor ins Stocken. Zeitgleich zeigten sich die Schattenseiten von unbegrenztem Wirtschaftswachstum und Konsumlust. Die Umweltschäden ließen sich nicht mehr leugnen: überquellende Müllplätze, Probleme mit der Abwasserentsorgung, nitratverseuchtes Grundwasser, Waldsterben und „verschwindende“ Tierarten. 1971 rief der Innenminister Hans-Dietrich Genscher einen wissenschaftlichen Beirat zusammen, woraufhin 1976 das erste Bundesnaturschutzgesetz in Kraft trat.

1977

Ein Jahr nach seiner Gründung lieferte der Müllzweckverband 1972 die ersten 7.000 Mülltonnen an Privathaushalte. Die kleinen runden Tonnen wurden bereits 1979 gegen größere Abfallbehälter mit 120l oder 240l ausgetauscht. Für Sperrmüll gab es eigene Abfuhrtage, damit dieser nicht mehr im Wald landete. Annahmestellen sammelten Problemabfälle wie Farben, Lacke, Medikamente, Altöl oder Batterien.

Kreiszeitung, Nr. 88, 16.04.1977, 117. Jg.

Gruppen wie die Initiative Umweltschutz Weyhe e. V., Mehr Grün für Stuhr e. V. oder der Bund für Vogelschutz engagierten sich im Landkreis. Vögel zählen, Krötenzäune bauen, Schlatts renaturieren, Hecken wiederaufforsten, Nistkästen aufhängen, Vorträge und vieles mehr. Die Liste an Aufgaben war so lang wie die Probleme groß waren. Seit Anfang der 1980er setzten Alternative Wählergemeinschaften/ Die Grünen in Weyhe, Stuhr oder Syke das Thema Umweltschutz auf die politische Agenda. Gülle- und Baumschutzverordnungen, die Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten oder Rücksichtnahme auf Biotope bei Straßenbaumaßnahmen wurden zu alltäglichen Themen in den Gemeinderäten.

Seit den 1960er Jahren war das „Müllproblem“ ein festes Thema in den Gemeinderatssitzungen. Die Müllmenge pro Haushalt stieg von Jahr zu Jahr und die kleinen Müllplätze am Dorfrand waren überfüllt. In Wäldern und Gräben entstanden wilde Müllkippen und altes Papier wehte über die Äcker. Seit Anfang der 1970er Jahre sammelten beherzte Bürgerinnen und Bürger bei Aufräumaktionen in den Wäldern diese Hinterlassenschaften wieder ein. Das Ausmaß der „Mülllawine“ überforderte die einzelnen Gemeinden, so dass sich 1971 der Müllzweckverband Grafschaft Hoya gründete. Dieser übernahm die Müllentsorgung für den Landkreis und hat heute seinen Hauptsitz als AbfallWirtschaftsGesellschaft (AWG) in Bassum/ Klövenhausen. Innerhalb weniger Jahre richtete der Zweckverband eine regelmäßige Müllabfuhr ein, verteilte Mülltonnen und beseitigte die alten Müllplätze.

1972

Seit Anfang der 1970er Jahre fanden regelmäßig im Frühjahr und zum „Tag der Umwelt“ Aufräumaktionen statt. Im Mai 1972 sammelten Schülerinnen und Schüler der 5. Realschulklasse in Bruchhausen-Vilsen 40 Säcke Müll im Vilser Holz. Eine ganze Lastwagenladung Sperrmüll kam noch hinzu. Sogar ein gekachelter Kohleherd gehörte zu den Fundstücken.

Kreiszeitung, Nr. 108, 10.05.1972, 112. Jg.

1986

„Vorsicht, Krötenwanderung“ heißt es alljährlich im Frühjahr. Für Amphibien auf dem Weg zu ihren Laichgewässern sind Straßen ein lebensgefährliches Hindernis. Am Bramstedter Kirchweg befindet sich eine Wanderkreuzung. Seit vielen Jahre helfen engagierte Bürgerinnen und Bürger, wie hier im März 1986, den eingefangenen Kröten über die Straße.

Kreiszeitung, Nr. 70, 24.03.1986, 126. Jg.

Eine Begleiterscheinung des Wirtschaftswachstum war der steigende Energiebedarf. Allein im Landkreis Grafschaft Hoya verdreifachte sich der Strombedarf von 1955 bis 1975. Nach den Erfahrungen des Ölpreisschocks erschien der Bonner Politik der Bau von Kernkraftwerken als die Rettung des Fortschritts. Eine wachsende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern sahen in der Atomkraft hingegen eine Bedrohung, wie die massiven Proteste in Wyhl, Brokdorf oder Gorleben zeigten. Im März 1977 fand im Gymnasium Syke ein Vortrag mit Vertreter der Energiebranche für die Schülerschaft statt. Wie am 22. März 1977 in der Kreiszeitung zu lesen war, beschwichtigten sie die kritischen Nachfragen der Schülerschaft mit den Worten: „Selbst den größten anzunehmenden Unfall können auch die Menschen , die in der allernächsten Umgebung eines solchen Werkes wohnen, vergessen!“. Neun Jahre später am 26. April 1986 explodierte der Reaktorblock 4 in Tschernobyl. Die hohe Strahlenbelastung machte ein Gebiet von 2600m² unbewohnbar. Die Nachricht über das menschengemachte Unglück wirkte wie ein Schock und verunsicherte die Bürgerinnen und Bürger. Wie steht es um die deutschen Atomkraftwerke? Welchen Schutz gibt es vor radioaktiver Strahlung? Welches Verhalten ist richtig? Die Lebensmittelgeschäfte im Landkreis blieben auf Frischmilch und Gemüse sitzen, die Schulhöfe waren leer und Äcker wurden mit dem Geigerzähler vermessen. Als Konsequenz dieser Katastrophe forderten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Anti-Atomkraft-Demo in Syke am 9. Mai 1986 den „Einstieg in den Ausstieg!“.

„Ich will leben mit sauberem Regen!“ war seit Anfang der 1980er Jahre eine oft geäußerte Forderungen auf Demonstrationen für den Umweltschutz. Nicht nur im Harz starben die Bäume durch den sauren Regen, sondern auch das Friedeholz und die Westermark waren betroffen. Verantwortlich für den sauren Regen waren die hohen Mengen an Schwefeldioxid in der Luft. Dieses Gas entstand bei der Verbrennung von Kohle sowie Öl und wurde in der Luft zu Schwefelsäure umgewandelt. Erst der gesetzlich vorgeschriebene Einbau von Entschwefelungsanlagen bremste das Waldsterben.

1986

Am 1. Mai 1986 forderten die Demonstrantinnen und Demonstranten vor dem Warnamt in Bassum Auskunft über die tatsächliche Bedrohung durch radioaktive Strahlung. Besonders die neue Partei „Die Grünen“ forderten das Ende der Energiegewinnung durch Kernspaltung. Die Angst war groß, dass sich ein Vorfall wie Tschernobyl in Deutschland wiederholt.

Kreiszeitung, Nr. 102, 03.05.1986, 126. Jg.