Staatssozialismus oder freie Marktwirtschaft? Sozialistische Einheitspartei oder repräsentative Demokratie? USA oder UdSSR? Warschauer Pakt oder NATO? Ost und West standen sich in einem Systemwettstreit gegenüber. Um die eigene Überlegenheit zu demonstrieren investierten die Staaten in nie zuvor gekannter Weise Ressourcen in Wirtschaft, Militär und Wissenschaft. In diesem weltweiten Konflikt nahm das geteilte Deutschland eine Sonderrolle ein. Die politische Großwetterlage pendelte zwischen diplomatischem Tauwetter und Eiszeiten. Die Sorge vor einem dritten und dann nuklearen Weltkrieg begleitete die Zeitgenossinnen und Zeitgenossen. Erst durch den Mauerfall in Deutschland und das Ende des Warschauer Pakts schwanden diese Ängste. Darüber hinaus vereinbarten die ehemaligen Gegner 1990 in der Charta von Paris die drastische Abrüstung in Europa.

1964

Ursprünglich war der Probealarm im Warnmeldeamt II in Bassum/ Helldiek für den November 1963 geplant. Nach dem Kennedy-Attentat fand er aus „psychologischen Gründen“ stattdessen im Januar 1964 statt. Bei diesen nationalen und internationalen Übungen wurden die verschiedenen Signaltöne getestet: Eine Minute Heulton = Luftalarm, eine Minute Heulton mit zweimaliger Unterbrechung = ABC-Alarm, eine Minute Dauerton = Entwarnung.

Kreiszeitung, Nr. 13, 16.01.1964, 104. Jg.

Die NATO ging davon aus, dass Deutschland bei einem bewaffneten Konflikt zum Kriegsgebiet würde. Um auf diese Gefahr vorbereitet zu sein, investierten die Bundesländer in den Zivil- und Katastrophenschutz. Das Warnmeldeamt II in Bassum/ Helldiek gehörte zu einem Netzwerk aus insgesamt 10 Warnmeldeämtern in der alten Bundesrepublik. Die seit 1960 errichtete Anlage konnte bis zu 11.000 Zivilschutzsirenen ansteuern. Diese verteilten sich in einem Raum von Kiel bis zur niederländischen Grenze. Das Warnamt schloss 1996 seine Türen. Auf dem Gelände befindet sich seit 2001 die private Prinzhöfte Schule. Seit 2016 baut der Verein Warnamt II den unterirdischen Gebäudeteil zu einem lebendigen Museum um.

Obwohl offiziell Frieden herrschte, waren Mitte der 1980er Jahre in Deutschland insgesamt über 1,5 Millionen aktive Soldaten des Warschauer Paktes und der NATO (inklusive Bundeswehr) stationiert. Bis Ende der 1980er Jahre fanden regelmäßig im Frühjahr und Herbst Militärmanöver im freien Gelände statt. In Niedersachsen waren neben der Bundeswehr vor allem britische und niederländische Armeeverbände aktiv. Der Raum südlich von Bremen zwischen Wildeshausen und Verden/ Aller war bei den Militärstrateginnen und Militärstrategen sehr beliebt. An der Weser übten die Soldaten den Bau von Behelfsbrücken. Zum Unmut der Landwirtinnen und Landwirte versprach die landwirtschaftlich geprägte Umgebung „freie Fahrt“ für die Militärfahrzeuge. Die Manöver wurden seit den 1970er Jahren immer größer, was auch die Schadensmeldungen beim Amt für Verteidigungslasten anwachsen ließ. Allein für das Jahr 1986 wurden bundesweit fast 200 Millionen DM an Ausgleichsgeldern gezahlt. Die Kommunen leiteten die Mittel an die geschädigten landwirtschaftlichen Betriebe und Institutionen weiter. Der Wegezweckverband Syke erhielt im Jahr 1986 2,65 Millionen DM und bearbeitete 850 Schadensfälle in seinem Zuständigkeitsbereich.

1971

Regelmäßig in Herbst und Frühjahr machten sich die Kolonnen der Militärfahrzeuge auf den Weg zu ihren Einsatzorten. Im September 1971 verlief im Rahmen des Manövers „Eternal Triangle VI“ eine Verteidigungslinie von Norden nach Süden quer durch Neubruchhausen. Die Manöver fanden im freien Gelände statt. Zum großen Leidwesen der Landwirtinnen und Landwirte war es durchaus möglich, dass sich über Nacht im Acker ein Panzer eingrub.

Kreiszeitung, Nr. 220, 22.09.1971, 121. Jg.

1975

„Gastwirt Mehlhop war gerade am Rasenmähen“, hieß es in der Kreiszeitung vom 23.04.1975, „als gegen 16 Uhr einige hundert Meter von seinem Garten entfernt die Panzer-Phalanx durch die Feldmark rollte. Landwirt Kehlbeck und einige seiner Nachbarn mußten kopfschüttelnd zusehen, wie soeben gelegte Rüben 40 bis 60 Zentimeter tief in den Erdboden gewalzt oder gleichtiefe Gräben von 80 cm Breite in frischgesätes Grünland gepflügt wurden.“ Der Vorfall mit der niederländischen Panzereinheit dauerte nur knapp 30 Minuten. Die Felder wieder herzurichten, dauert Jahre, wie der Pressesprecher des Landvolkes Bernhard Haase erklärte.

Kreiszeitung, Nr. 94, 23.04.1975, 115. Jg.

Zu den militärischen Strategien gehörte auch der Einsatz von in Deutschland stationierten Nuklearwaffen. Der Besitz von Atomwaffen galt als Abschreckungsmittel, um die jeweils andere Seite von einem Angriff abzuhalten. Genau diese Gedankenspiele des Militärs versetzten seit Ende der 1970er Jahre immer mehr Bürgerinnen und Bürger in große Sorge. Denn der Nato-Doppelbeschluss um die Pershing-II-Raketen folgte dieser Logik des Wettrüstens.

In der Friedensbewegung vereinten sich Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und Bürgerinitiativen. Arbeitskreise für Frieden und Abrüstung bildeten sich beispielsweise in Bassum und Weyhe. Besonders aktiv war das Stuhrer Abrüstungsforum. Diese vielstimmige Bewegung forderte den sofortigen Stopp des Wettrüstens. Die Friedensaktivistinnen und Friedensaktivisten prangerten die These vom Abschreckungspotential der Atomwaffen als selbstzerstörerischen Irrglauben an. Die Protestformen waren mannigfaltig und umfassten Ostermärsche, Mahnwachen, Familienfeste, Projektunterricht in den Schulen, Friedenswochen und Kundgebungen. Die Demonstrantinnen und Demonstranten verliehen ihren Forderungen Nachdruck bei symbolische Besetzungen. Im April 1983 blockierten die Aktivistinnen und Aktivisten den Zugang zur Raketenstation in Wachendorf. Diese war als Teil des Flugabwehrraketengürtels der NATO besonders symbolträchtig.

1987

Im Mai 1987 richtete die Bundeswehr im Rahmen des Wachendorfer Musikfestes einen Tag der offenen Tür aus. Die Fla-Rak-Stellung in Wachendorf bestand von 1966 bis Anfang der 1990er Jahre. Sie übernahm im 61. Sektor des Flugabwehrraketengürtels der NATO die Aufgabe als Battalion Operation Center (BOC). Seit 1998 befindet sich auf dem Gelände der Hauptsitz der Tiefbaufirma Harry Rode GmbH.

Kreizeitung, Nr. 124, 30.05.1987, 127. Jg.