Zwischen 1933 und 1945 wurden im Einflussbereich des Deutschen Reichs mehr als 215.000 Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen aufgrund ihrer Erkrankung ermodert. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass auch bis zu 10.000 Kinder getötet wurden, wobei viele zuvor zu Forschungszwecken missbraucht wurden. Die effektive Verfolgung der Täterinnen und Täter kam nach Gründung der Bundesrepublik fast völlig zum Erliegen.

Anna Timmermann

Anna Timmermann, geb. Kokemüller, die 1898 geboren wurde, lebte gemeinsam mit ihrem Mann Heinrich in Dimhausen nahe Bassum. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde sie in die psychiatrische Klinik in Osnabrück eingewiesen, von wo aus sie im April 1941 in eine Einrichtung in Eichberg verlegt wurde. Dies kam bereits einem Todesurteil gleich, wurden die meisten der dortigen Patientinnen und Patienten doch später zur Ermordung nach Hadamar verbracht. Aber auch in Eichberg selbst wurden Menschen im Rahmen der nationalsozialistischen Krankenmorde getötet, darunter alleine 430 Minderjährige.

Sechs Wochen nach ihrer Ankunft in Eichberg wurde auch Anna Timmermann nach Hadamar gebracht. Wahrscheinlich wurden die meisten der 119 Menschen ihres Transports schon am Tag der Ankunft in der klinikeigenen Gaskammer ermordet. Aufgrund der großen Zahl an Menschen, die am 10. Juni 1941 in Hadamar ankamen, könnte aber auch der Folgetag das Sterbedatum Timmermanns sein. Vor ihrer Familie wurden Tag und Umstände ihres Todes verheimlicht. Nach ihrer Einäscherung im selben Gebäude wurde sie im Sommer 1941 auf dem Bassumer Friedhof in einem Familiengrab bestattet.

Geheimes „Ermächtigungsschreiben“ Adolf Hitlers, das einem Tötungsbefehl gleichzusetzen war.

Adolf Wahlmann (links) leitete von 1942 bis 1945 die Tötungsanstalt Hadamar und war damit Hauptverantwortlicher für die Ermordung tausender Menschen. Das obige Foto zeigt ihn gemeinsam mit dem Hilfspfleger Karl Willig nach der Gefangennahme durch US-amerikanische Streitkräfte im März 1945. Wahlmann wurde 1946 zum Tode verurteilt, nach Abschaffung der Todesstrafe mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 musste er seine lebenslange Haftstrafe nur bis 1953 absitzen.

Schornstein des Krematoriums der Tötungsanstalt Hadamar, um 1941

Insgesamt starben ab Januar 1941 fast 15.000 Menschen in der Tötungsanstalt Hadamar, in deren Gaskammer etwa einhundert Personen täglich getötet werden konnten. Nicht alle Opfer fanden in der Gaskammer den Tod, manche wurden auch durch die bewusste Gabe überdosierter Medikamente ermordet oder in den Hungertod gezwungen. Die Tötungsanstalt Hadamar war eine von sechs, die im Rahmen der sogenannten „Aktion T4“ eingerichtet wurde, um Menschen mit Behinderung systematisch umzubringen. Die Taten waren Teil der Anklage gegen den später hingerichteten früheren Reichsinnenminister Wilhelm Frick bei den Nürnberger Prozessen gegen die Hauptkriegsverbrecher.


Die genaue Zahl der Opfer der nationalsozialistischen Krankenmorde aus dem heutigen Kreis Diepholz ist unbekannt. Zu ihnen gehörte auch der ebenso wie Anna Timmermann aus Bassum stammende Wilhelm Bonhorst, der bei seiner Ermordung in Hadamar 34 Jahre alt war. Da die Akten zu beiden Personen vernichtet wurden, lässt sich ihr Leidensweg nicht mehr im Detail nachvollziehen.