Zu den Opfern der nationalsozialistischen Gewalt gehören auch mehrere zehntausend Kinder von Zwangsarbeiterinnen, die im Deutschen Reich geboren und ihren Müttern spätestens nach der Stillzeit, oft aber schon im Alter von wenigen Tagen bis Wochen, entrissen und in Heimen untergebracht wurden. Die dortige Vernachlässigung hatte zur Folge, das vermutlich ein Viertel bis die Hälfte der Kleinkinder verstarb, mancherorts bezahlten sogar 90 Prozent der Mädchen und Jungen die Unterbringung mit dem Leben. Die Beerdigungskosten hatten die Mütter zu bezahlen.

Aniela Kukula

Aniela Kukulas Mutter war erst 15 Jahre alt, als sie aus Polen nach Deutschland kam. Ob sie die Reise zumindest in gewissem Maße freiwillig antrat oder gezwungen wurde, ist nicht mehr nachvollziehbar. Ab Sommer 1940 arbeitete sie auf einem Bauernhof in Wachendorf, das heute zu Syke gehört. Als Aniela am 26. April 1944 geboren wurde, war ihre Mutter kaum 20 Jahre alt. Zunächst war es ihr möglich, ihre Tochter auf dem Hof zu umsorgen, auch mit Unterstützung der Bauersfrau. Am 15. Januar 1945 wurde ihr das Kind wenige Monate vor Kriegsende entrissen.

Den Tag der Einweisung in das „Polenkinderheim“ in Barrien überlebte Aniela um nicht einmal fünf Wochen. Offiziell starb sie am 18. Februar 1945 an einer Lungenentzündung. 20 andere Kinder im Alter von neun Tagen bis 16 Monaten teilten zwischen Mai 1944 und April 1945 ihr Schicksal. Sie starben an mangelhafter Fürsorge, unzureichender Ernährung oder ausbleibender medizinischer Behandlung. Aniela und anderen Kindern wird heute auf dem Friedhof in Barrien gedacht.

Gedenkstätte auf dem kleinen Gräberfeld des Friedhofs in Barrien (Quelle: Hermann Greve, Stadtarchiv Syke).

Ursprünglich wurden Frauen aus Osteuropa, die in der Regel unter Zwang ins Deutsche Reich gebracht wurden, im Falle einer Schwangerschaft zurückgeschickt. Damit sollte einerseits verhindert werden, dass Schwangere und Mütter medizinische und sonstige Versorgung in Anspruch nehmen mussten, andererseits galten die Kinder aus rassistischen Gründen als unerwünscht. Dabei handelte es sich keinesfalls um geregelte Rücktransporte, vielmehr wurden die Frauen unter menschenunwürdigen Bedingungen, die oft den Tod von Frauen und Neugeborenen zur Folge hatten, mit dem Zug in ihre Heimat abgeschoben. Das änderte sich mit einem Erlass vom 15. Dezember 1942, dessen Absicht es angesichts der drohenden Niederlage war, die Arbeitskräfte unter allen Umständen im Deutschen Reich zu halten. Die sieben eigens zur Unterbringung der Kinder im heutigen Landkreis Diepholz eingerichteten Heime wurden für mindestens 101 Mädchen und Jungen, die meisten erst wenige Monate alt, zur Todesfalle.